Notizen zusammengestellt und verarbeitet zu einem Bericht aus den Beiträgen der Diskussionsteilnehmer beim Evangelischen Kirchentag Mühlhausen
im Elsaß am 31. Mai 1997

Bis zur Aufklärung gab es für viele Jahrtausende auf der ganzen Welt ein balanciertes Miteinander zwischen Mensch und Natur. Der Mensch hat die Natur nicht so überlastet, daß sie sich nicht wieder aus eigener Kraft erholen konnte. Durch die Christianisierung der Norddeutschen Tiefebene wurde der Wald zurückgedrängt um Raum für Weidewirtschaft und Getreideanbau zu schaffen. Dann kam die Industrialiesierung, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts der Natur riesige, unwiederruflich Änderungen und Zerstörungen gebracht hat. Dieser Prozess hat sich intensiv gesteigert in unserer Zeit.
Die Frage entsteht: sind wir Gottes Geschenk und Auftrag: „Machet euch die Erde untertan,“ gerecht geworden? Haben wir den Auftrag in Seinem Sinne erfüllt? Sieht es nicht eher so aus, als hätten wir das, was uns anvertraut wurde, zerstört und uns mit Schuld beladen? Wenn es so um uns steht, brauchen wir Kraft zur Umkehr; Kraft, die nur von Gott kommen kann und uns „tüchtig zur Tat“ macht. Was haben wir in der Hand? Wir haben Gottes Verheißung in der Hand: „Siehe, ich bin bei euch“ und sein Geschenk: „die Hoffnung“. Hoffnung, das ist Schauen in die Zukunft, Seine Zukunft mit uns.
Woraus können wir Hoffnung schöpfen und uns ermutigen? Drei Antworten:

Das Erste ist Hoffnung auf Handeln durch Befund:
Unsre Generation hat die Befunde und Werte von Messungen der Naturgeschehen in der Hand, die Dringlichkeit davon soll uns zur Tat zwingen. Es gibt Zeichen und Aktionen, die Ermutigen. Da sind zu nennen Sanierungen von Seen und Flüssen, Beseitigung und neue Bepflanzung von Schutthalden, strengere Kontrolle der Abgase von Fahrzeugen und Industrie. Es gibt keine ernstzunehmende Regierung, die nicht den Umweltschutz im Programm hat. International werden Luftergeb-nisse bewertet in dem Bestreben, der Erdwärmung entgegenzuwirken. Es gibt Konferenzen, Podiumsdiskussionen, Filme, öffentliche Debatten und wachsende Veröffentlichungen in dieser Sache. Auf allen Agenden ist ein Punkt für Oekologie und Umweltschutz vorgesehen, international, national und regional. Hieraus läßt sich Hoffnung schöpfen. Man muß auch die Ausdauer haben; denn durch wenige und geringe Erfolgsmeldungen kann man leicht entmutigt werden. Das ist eine Gefahr. Wir sind dazu aufgefordert das Richtige zu tun, damit unsre Welt für unsre künftigen Generationen bewahrt bleiben kann.

Das Zweite ist Hoffnung aus der Verheißung:
Die Ostergeschichte ist Gottes Verheißung: Jesus ist erstanden aus dem Tod, hat eine vergeistigte Gestalt angenommen. Dennoch sind die Narben an Seinem Körper geblieben. Daran ist ER zu erkennen, wie uns die Thomasgeschichte nach Ostern eindringlich bezeugt. Mit der Auferstehung wird die Lebensgeschichte nicht abgelegt, sondern hineingenommen, von Gott angenommen und aufgenommen in Seine „neue Wirklichkeit“. Was der Mensch an Menschen und Umwelt zerstört hat, wird im Laufe der Zeit durch Natur vernarbt. Manchmal kommt diese Vernarbung erst spät, manchmal anders als es war, weil Wiederherstellung doch nicht möglich ist. Die verlassenen Dörfer bei Tschernobyl sind Beispiele. Hoffnung heißt auch: „Es gibt kein Zurück zum Urzustand, aber das enthebt uns nicht der Verpflichtung zum Handeln. Anders gesagt: Es gibt kein Zurück zum Palmsonntag; Gottes Weg geht zum Neuen, geht darüber, über Passion und Auferstehung hinaus. Das „Neue“ sind auch die Wunden an Jesu Leib und damit an seiner Schöpfung. Das sind die Narben von Ostern, von dem Neuen, das angefangen hat. Wir sind darin aufgenommen und haben Anteil an Seinen Narben und an Seiner Herrlichkeit.
Das Dritte ist die Hoffnung aus Gottes Auftrag:
Ein deutsch-französicher Gesprächsteilnehmer antwortete darauf: “D’accord, mit den Narben. Ich stimme dem zu.“ Er betonte, daß wir als Gottes Gemeinde, als Kirche, in erster Linie die Verantwortung tragen; das heißt auch, bei uns muß die Tat sein, die entspringt aus biblischem Grundsatz, wie zum Beispiel von Albert Schweizers Leitgedanke: „Ehrfurcht vor dem Leben“. Der Text: „Machet euch die Erde untertan,“ kam zu uns Menschen in einer bestimmten Situation, gegen Ende des 6. Jahrhunderts vor Christus, zur Zeit der Rückkehr des Volkes Judas nach ihrer Gefangenschaft in Babylon. Es galt sich durchzusetzen gegen die Unordnung und das Chaos, das sie dort vorfanden, die Unordnug der verwüsteten Felder und Lebensumstände. Der Auftrag lautete nicht: „Macht, was ihr wollt mit dieser Erde,“ sondern es bedeutet, wie Calvin es sagte: wir sollen „wie ein Vater handeln, mit dem Menschen, mit Leben, mit der Erde und was uns anvertraut ist.“
Hiob singt von der Vielfalt der Schöpfung, zu der wir als Menschen auch gehören. Die Natur hat Zeiten des Wachsens und Zeiten der Ruhe, so soll es auch mit uns sein. Die Bibelwahrheit der Ruhe hat seinen tiefen Grund; Acker und Mensch müssen Zeiten der Ruhe haben, es kann nicht nur grenzenlose Produktion geben, irgendwann kommt die Ermüdung und der Zusammenbruch. „Unser Sonntag, von Gott gegeben, ist nicht zu verkaufen!“ Er soll nicht der Gier der Überstunden und dem Doppellohn weichen. Es gilt sich dem Wachsen und Werden anzuvertrauen: „Jeder Endpunkt eines Werdes und Schaffens soll zugleich Ausgangspunkt für etwas Neues und Besseres sein, in Harmonie mit der Erde.“’

Zusammenfassung angefertigt von Ulrich Sachse,
der bei den Diskussionen in Mühlhausen anwesend war.