Von Anselm Gün las ich, dass er vermutet, dass Fundamente, die unser Leben tragen, in dieser Krisenzeit erschüttert werden. Er nennt ausdrücklich drei:
Planbarkeit des Lebens: Wir werden planen und wissen nicht, ob die Pläne durchführbar sind. Da die Wissenschaftler immer neues über den Virus entdecken, wissen wir noch nicht einmal, ob die Pläne, die herausgegeben werden richtig sind. Das Leben ist komplizierter, als uns lieb ist. Wir möchten Sicherheiten und erleben in dieser Krise, wie schwer es ist, von Tag zu Tag zu leben, was aus Vorsicht zu vermeiden ist und was mutig ausprobiert werden kann und darf.
Der Satz aus dem Evangelium ist für mich neu konkret geworden. „Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ Matthäus 6, 34.
Die Wirtschaftskonzerne sind natürlich besorgt, wenn sie nicht verlässlich planen können. Wir werden täglich herausgefordert nicht sorglos zu sein, und uns doch nicht von übertriebener Sorge „auffressen“ zu lassen.
Austausch miteinander: Wie nah dürfen wir uns kommen? Großeltern haben ihre Enkel lange nicht gesehen. Es ist ein Zeichen, dass wir Menschen das soziale Miteinander als selbstver-ständliche Bereicherung erleben, die nun massiv eingeschränkt wird.
Unsere christliche Ausrichtung lebt vom Miteinander. Wie sehr klagen wir das in normalen Zeiten ein. Und nun wird gepredigt: Nächstenliebe sei Abstand halten! Was eigentlich undenkbar ist, muss tatsächlich gedacht und sogar gelebt werden. Monatelang keine Gottesdienste, wie wir sie gewohnt sind!
In katholischen Gemeinden hieß es: wir feiern „Messe ohne Öffentlichkeit“. Wir haben Wege gesucht und gefunden, dank der modernen Kommunikationsmittel ganz anders Gottesdienste zu feiern.
Die Schulkinder und Lehrer, Studenten und Professoren haben merkwürdige Zeiten hinter sich. Digitales Lernen! Zum Glück haben wir diese Möglichkeiten. Aber sie reichen nicht aus!
Was für seltsame Bilder, wenn wir nun wagen, wieder mit Mund – und Nasenschutz zusammenzukommen; unterschiedlich haben Kirchenvorstände beschlossen, ob und unter welchen Umständen gesungen werden darf. Versuche, Abendmahlsfeiern unter Hygienevorschriften zu gestalten,
sogar bei digitalen Gottesdiensten wirken auf mich irreal.
Wann dürfen wir uns wieder „normal“ treffen? Wie wird es Weihnachten sein? Im Unterricht mit Masken; im Flugzeug, Bahn und Bussen ebenso. Der Weg, kulturelle Veranstaltungen zu planen ist mühsam, aber mit Abstrichen möglich. Ich wünsche mir mutige Vorschläge und trotz allem die Erfahrung der geistlichen Zusammengehörigkeit.
Sicherheit der Arbeit und die damit verbundene Existenzsicherheit: Eine Pressenotiz: “Der Arbeitsmarkt ist wegen der Corona-Krise weiterhin unter Druck”, sagte der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef Scheele. Leider wird auch das, was armen Menschen zur Verfügung gestellt werden sollte durch Korruption „aufgefressen“! Viele Menschen, wie z.B. hier bei uns in Südafrika und Namibia, haben keinerlei Einkommen, wenn sie keine Arbeit haben. Sie sind auf Hilfe angewiesen.
Leider gehen mit der Existenzbedrohung auch schreckliche Bilder um die Welt: Plünderungen von Lebensmittellastwagen; die Zahl der Einbrüche und Diebstähle steigt an.
Was wir in der Krise oder durch die Krise lernen könnten?
Henryk Broder, Journalist der WELT schreibt am 3. März 2020:
„Gott hat Humor. Aber er lässt nicht mit sich spaßen.“
Es ist zu billig zu sagen, dass Gott uns diese Krise schickt. Dann wäre er der Verursacher aller Krisen. Krisen sind oft menschengemacht.
Die Krise darf meines Erachtens nicht als Strafe Gottes gedeutet werden.
Wer es behauptet muss auch sagen für welche Vergehen wir bestraft werden. Ich würde es so sagen: Die Krise zwingt uns dazu, alles auf den Prüfstand zu stellen: unser Alltagsleben, unsere Beziehungen, unsere Gesellschaft, wie wir wirtschaften. Das gilt auch für die Kirche und unsere Gemeinden.
Was ist (uns) wichtig? Was trägt mich?
Alles, was wir erleben – so glaube ich – hat mit Gott zu tun. Der Glaube will die Wirklichkeit in eine Beziehung zu Gott setzen.
Es wird die wichtige Aufgabe bleiben, diese Fragen persönlich aber auch im öffentlichen Disput zu beantworten.
R. Keding (etwas verkürzt – E-G. Brunke)